DDR-Geschichte

    Buch: Der Fall Otto

    Erzähltes & Ungesagtes meiner Großeltern W. und O. Nagel

    Christin Müller-Wenzel: Der Staatliche Kunsthandel in der DDR – ein Kunstmarkt mit Plan? Ein Kompendium.

    Im Dezember 2021 erschien im Mitteldeutschen Verlag das Fachbuch „Der Staatliche Kunsthandel in der DDR – ein Kunstmarkt mit Plan? Ein Kompendium.“, zugelassen als Dissertation an der Universität Marburg im Jahr 2020. In der Ankündigung heißt es, „Christin Müller-Wenzel widmet sich in ihrer Studie dem weitgefächerten System des Staatlichen Kunsthandels in der DDR. Sie deckt alle Facetten auf, die den Kunsthandel ausmachten, beginnend mit der Betrachtung des anfänglich noch in der jungen DDR existierenden privaten Kunsthandels über die Vorgängerinstitutionen, die Galerien für Gegenwartskunst und Antiquitäten bis hin zum Export von Kunstgegenständen in das NSW.“

    Die Autorin schlägt einen Bogen des Staatlichen Kunsthandels der DDR von 1955 bis 1989. Einen Schwerpunkt bilden die zahlreichen Galerien, Orte zeitgenössischer Kunst. Der Staatliche Kunsthandel bot zum Teil Freiräume, wie die Kuratorin anmerkt und das neben Valuta zu erwirtschaften. Galerien für Künstler als Ort seine Arbeiten auszustellen, anzubieten und einem Publikum bekannt zu machen, so die Autorin. Insgesamt wirkt alles im positiven Licht. Dies mag auf dem ersten Blick so zu sein, aber die Akten im Bundesarchiv, Bestand Bereich Kommerzielle Koordinierung DL 210, sprechen eine andere Sprache. So gibt es in der Akte DL 210/2429 einen Exportbericht. Joachim Farken, Direktor Kunst- und Antiquitäten GmbH teilt dem Staatssekretär Dr. Schalk im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten mit, dass allein fünf Künstler 50% des Exportes ausmachen. Willi Sitte 1981 Erlöse von 28.000 und 1982 von 185.000 Valutamark (D-Mark) oder Werner Tübke 1981 292.000 und 1982 etwa 68.000 Valutamark. 30% vom Valutaerlös gehen an das MfK zurück, davon wiederum erhält der Künstler 50%. Der Staat wählt die Werke aus und bestimmt den Preis. Der Künstler als Ware.

    Auch der private Kunsthandel ist sehr knapp beleuchtet, nur drei Anbieter hat Christin Müller-Wenzel ausgewählt. Hier fehlt eine kritische Analyse der Sammler, die schon Günter Blutke mit seinem Buch „Obskure Geschäfte“ über KoKo 1990 offenlegte, im Literaturverzeichnis zu finden. Sammler, wie die Familie Wendl aus Rudolstadt oder die Dresdner Kunsthandlung Alphons Müller. Staatlicherseits erzwungene Schließungen und horrende Steuerforderungen sind Folgen, die zu diskutieren sind.

    Sehr ausführlich sind auch die Auktionen in den 1980er Jahren in der DDR dargestellt. Ob in Ahrenshoop, in Berlin, Leipzig oder Dresden. Hier fehlt aber der kritische Blick auf die Käufer und Einlieferer. Das u.a. vor dem Hintergrund der zahlreichen Aktionen gegen die Sammler insbesondere in den 1980er Jahren.

    Die thematische Einordnung des Staatlichen Kunsthandels in die „kulturpolitische Praxis in der DDR“, wie die Autorin das Kapitel nennt, hat meines Erachtens einen unglücklich gewählten Anfang (S. 38). Müller-Wenzel fängt mit dem kulturellen Aufbau in Russland nach der Oktoberrevolution an, versucht die Ursachen für den „sozialistischen Realismus“ in der DDR zu ergründen. Irgendwie wirkt es, als wollte die UdSSR als Teil der Siegermächte, nach 1945 den Künstlern der DDR ihre Kultur „überstülpen“. Von den deutschen kritischen Künstlern der 1920er Jahre keine Spur. Alles endet im Formalismus, angepasste sozialistische Kunst. Auch hier gab es Gegenbewegungen.

    Insgesamt ist das Buch ein wichtiger Baustein in der Aufarbeitung und Analyse der Kulturpolitik der DDR. Es zeigt aber auch, dass das Thema von verschiedenen Seiten betrachtet werden kann.

    Als weiterführende Lektüre ist der Band 3 der Reihe Provenire „Enteignet, entzogen, verkauft. Zur Aufarbeitung der Kulturverluste in SBZ und DDR“, herausgegeben 2022 vom Zentrum Kulturgutverluste, zu empfehlen.