Jazz-CDs

    Erzähltes & Ungesagtes meiner Großeltern W. und O. Nagel

    Tales
    Was für eine wunderbare Musik. Gleich beim ersten Hören versetzte sie mich in Trance. Zunächst dachte ich, die 3 CDs kann man nicht schaffen. Aber jede einzelne entfaltet ihren eigenen Klangreichtum. JA, man benötigt viel Zeit. Und man darf sich der Trance wirklich hingeben. Der erste Höreindruck sehr meditativ, das Klavier liefert die Klangfläche ohne sich aufzudrängen. Jeroen van Vliet  am Piano ein wunderbarer Ensemble-Musiker mit tiefgründig harmonischer Präsenz, der seine Räume findet und behauptet, ohne sich orchestral aufzuspielen; in improvisierten Stücken ist er immer wieder auch am Synthesizer zu hören: zurückhaltend, nie effektheischend, mit großem Melos und intensiver Klangökonomie, nie mit amorpher Füllmasse. Das Cello von Jörg Brinkmann verbindet elegant die Bass-Sektion mit großartigen solistischen melodiösen Phrasen.
    Der Schlagzeuger Christian Thomé ist anwesend, auch wenn er es scheinbar nicht ist. Aber ganz dezent, sehr pointiert unterstreicht er den vorhandenen Rhythmus - lässig ausgebübte Fähigkeit, Rhythmik zu spielen, ohne sie zu markieren. So bekommt der Sound einen aktiven Puls und einen besonderen Drive.
    Obendrauf der klare, vollendet artikulierte Ton, der seit je Markus Stockhausens Markenzeichen ist.


    In Markus Stockhausens aktuellem Quartett fügen sich vier Temperamente zueinander und bilden einen gemeinsamen, überaus differenzierten Gruppenklang.
    Die neun komponierten Stücke der ersten CD sind von souveräner Klarheit, geradezu klassisch gebaut und gespielt. Die ausnotierten Passagen gehen über das, was im Jazz „thematisches Material“ heißt, weit hinaus. Sie wirken als verbindliche Rahmensetzungen von Tonvorräten, formalen Strukturen, Klangstrategien und Stimmungen. Sie definieren den Bewegungsraum der Musiker, ohne dass man diese Definitionen als Beschränkung empfindet. Sie geben damit der Musik eine tiefe Ruhe und dem Hörer ein Grundvertrauen in das, was zu erwarten ist.
    Auf den beiden improvisierten CDs zeigt sich, dass der Konsens im Quartett auch ohne kompositorische Vorgaben weit reicht. Er ist elastisch und ermöglicht weiter gefasste klangliche und spielerische Freiheiten. Grundsätzlich gilt, auch für die elektronischen Klänge des Synthesizers, dass man in der gemeinsamen musikalischen Arbeit aufeinander hört, Anregungen aufgreift, anreichert und weitertreibt. Dass man sich Zeit nimmt und Zeit gibt.
    Die Spannung, die dabei entsteht, ist nie eine zum Zerreißen. Sie ist von einem generösen Konsens getragen. Ein Konsens, der nicht auf die Probe gestellt, sondern behutsam und immer von Neuem ausgekundschaftet wird.
    Jedes der 25 Stücke ist eine eigene Erzählung, mit eigenem Verlauf, eigener Form, eigenem Vokabular, eigenem Gehalt. Allen gemeinsam ist, dass sie Verantwortung übernehmen für die Zeit, die sie gestalten. Man kann das Gehörte vielleicht nicht erklären. Jedoch verraten die Titel schon die Stimmungslage der Musik. Etwa die spürbare Leichtigkeit im Eröffnungsstück „Sunday Morning“. Das letzte Stück jedoch enthält etwas wie ein Bekenntnis, eventuell als grundlegende Erzählung aller Musik: „Peace Is Possible“, Frieden ist möglich.
    Das Werk heißt Tales – Fabeln. Geschichten aus dem Klanguniversum. Fabeln haben jedoch eine belehrende Absicht. Die könnte sein, sich intensiv der Musik hinzugeben und den Fragen nachgehen, welchen Unterschied macht es für Musik, ob sie komponiert oder improvisiert ist? Was für einen Unterschied macht es für eine Erzählung, ob sie mündlich vorgetragen oder schriftlich festgehalten wird?
    Die belehrende Absicht könnte sein: Musik existiert virtuell auf Tonträgern, in Partituren, in Repertoires und Traditionen. Wirklich aber ist sie nur, wenn sie erklingt und mit Hörerinnen und Hörern gemeinsam erlebt wird.
    Die erste der 3 CDs ist komponierten Stücken gewidmet, die anderen beiden enthaltenen Improvisationen des Quartetts.

    Markus Stockhausen flh, tp
    Jörg Brinkmann cello
    Jeroen van Vliet piano, synth
    Christian Thomé drums

    compositions by Markus Stockhausen
    „Destiny“ and all improvisations by all group members recorded by Stephan van Wylick at Fattoria Musica in February (improvisations) and March (compositions) 2021
    mixed by Stephan van Wylick and Markus Stockhausen in April 2021
    produced by Markus Stockhausen, alsl songs published by o-tone music publishing besides all compositions on CD 1